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Fotoalbum
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2005

Vom Süden lernen – Bericht von Kati Luzie Stüdemann

 

Ich betrete einen Innenhof in Gaarden. Es ist ein sonniger Herbsttag. An die Wände sind Graffitis gesprüht. Der Raum in dem der ausgeschriebene Workshop stattfinden soll ist eine Werkstatt, ein bisschen dunkel und nur mit Estrichboden.

Die Farbe machen die jungen Argentinier.Der Innenhof schallt wider von Perllachen, schnellem Spanisch und duftet nach Mate. Ich bin neugierig und gespannt. Den Tip für diesen 3tägigen Workshop habe ich von einem Kollegen. Seit 5 Jahren spiele ich jetzt fest am Theater im Werftpark. Seit einem Jahr leite ich nebenberuflich bei der AWO eine Theatergruppe mit jungen MigrantInnen. Über diese Arbeit habe ich bemerkt, dass dieser Teil meiner Profession mir sehr liegt, das ich einen Zugang habe zu den Jugendlichen und das ich merke, wie wichtig mir als Künstlerin auch soziale Verantwortung ist. Wegen dieser Erkenntnis stehe ich nun hier.

Eingeladen zum Workshop hat die Familie Potthoff. Anja Potthoff studierte 2 Jahren internationale Wirtschaft in Argentinien. Sie machte ihr Praktikum bei der Organisation „CREAR VALE LA PENA“. Gegründet von professionellen KünstlerInnen arbeitet die Organisation mit benachteiligten Kindern Jugendlichen aus den Slums in und um Buenos Aires mit dem Ziel – Kunst für soziale Entwicklung.

Die Arbeit von Crear vale la pena stützt sich auf drei Säulen:

1. künstlerische Bildung und künstlerische Produktion

2. Informelle Bildung

3. Soziale Organisation und Arbeit auf Augenhöhe.

Gerade dieses Miteinander ohne ein Gefälle, dieses Vertrauen in die Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen und die daraus entstehende Energie hat Anja Potthoff so beeindruckt, dass sie Cear vale la Pena mit ihren Methoden nach Deutschland holen wollte.

Zusammen mit ihrer Familie hat sie es geschafft die professionelle Tanztheatergruppe mit ihrem Stück „Los nadies“ in die Halle 400 nach Kiel zu holen. Eingebettet in diesen ersten Besuch waren Workshops an Schulen, Informationsveranstaltungen in denen die Leiterin Inez Sanguinetti, inizierert von der Heinrich Böll Stiftung mit der damaligen OB A. Volquartz ,Herrn Karasek und weiteren Vertretern der Kieler Kunst und Politik sprach und dieser 3-Tage Workshop, dessen Aufruf sich an Sozialpädagoginnen und KünstlerInnen die an sozialen Projekten interessiert sind, richtete.

Den Kern und das Verständnis von Crear vale la pena bekomme ich gleich am Anfang mit. Nach einer kurzen übersetzten Einführung geht es gleich in die praktisch künstlerische Arbeit. Die Übungen werden hier allerdings nicht von Inez Sanguinetti angeleitet, sondern von den Jugendlichen Teilnehmern selbst. Brain 16 unterrichtet uns in Tanz, Maria 21 in visueller Kunst, Sara leitet gruppendynamische Übungen an und mit Hernan 29, tauchen wir ein in den Rhythmus und den Klang. Das großen Selbstverständnis, die Präsenz und die Genauigkeit mit der die jungen argentinischen KünstlerInnen die Übungen anleiteten, haben mich sehr beeindruckt.

Zwischen den Übungen und Arbeitseinheiten ziehen wir uns immer wieder in Kleingruppen zurück. Thema ist die Beantwortung der Fragen:

Was hat uns beeindruckt? Was können wir von Crear vale la pena lernen? Warum ist gerade Kunst ein vielfältiges Mittel der Integration? Können wir die Methoden von „Crear vale la pena“ auch auf Deutschland adaptieren und wenn ja – Wie?

Es wurde viel diskutiert, visioniert und auch schriftlich festgehalten.

Ich war angesteckt von der Energie der jungen Menschen, von ihrer Ernsthaftigkeit und der Fähigkeit über Kunst etwas zu verändern. Viele Ansätze und Methoden deckten sich schon mit meiner Arbeitsweise. Ich habe mich gerne begeistern lassen, größer zu denken, mehr bewegen zu wollen und dafür etwas zu wagen.

Ein Jahr später hatte ich meine sichere Stelle als Schauspielerin gekündigt und gründete mit Anja Potthoff den Verein Kiel CREARtiv e.V.

Unser Weg war nicht immer einfach, aber gefüllt mit über 50 großartigen Projekten, mit Freundschaften, Partnerschaften und mit künstlerischen und sozialen Erfolgen. Ich bin sehr stolz auf unsere Arbeit und freu mich auf die nächsten Jahre.